25.06.2024

Roboter nerven – oder nicht?

Erste Ergebnisse zu befürchteten und auftretenden kritischen Situationen in der Mensch-Roboter-Interaktion im öffentlichen Raum

Im Februar und März 2023 führten wir eine umfassende Befragungsstudie in der Sedelhöfe-Unterführung in Ulm durch, als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Kommunikationsstrategien für Roboter im öffentlichen Raum. Im Rahmen dieser Studie wurden Interviews mit 67 eingeladenen Proband:innen durchgeführt, bei denen wir unter anderem der Frage nachgingen, welche kritischen Situationen im Umgang mit Robotern auftreten können.

Das Wissen um diese Situationen hilft uns, zu verstehen, wo Verbesserungspotenziale im Zusammenleben mit Robotern im öffentlichen Raum bestehen – etwa hinsichtlich Einbezugs und Aufklärung der Öffentlichkeit oder Anpassungen und Verbesserungen an den Robotern selbst.

Methodik der Untersuchung – Unsere Studie bestand aus mehreren Teilen:

 

  • Interviews und Interaktion:
    • Die Proband:innen testeten unsere drei Projekt-Roboter (ADLATUS Lieferroboter, Reinigungsroboter und Kehrroboter) und interagierten mit ihnen.
    • Anschließend wurden sie unter anderem dazu befragt, welche kritischen Situationen ihrer Meinung nach im Umgang mit diesen Robotern auftreten können.
  • Videobeobachtung:
    • Beobachtung von Reaktionen von zufällig vorbeilaufenden Passant:innen unter strikter Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben (siehe vorherige Beiträge).
    • Durch die Analyse dieser Videos beschrieben wir das Verhalten der Personen in diesen und potenziell kritischen Situationen.

Erste Ergebnisse der Studie

Welche Konflikte und kritischen Situationen mit Robotern im öffentlichen Raum wurden von unseren Teilnehmenden befürchtet?

Insgesamt wurden 405 konkrete Befürchtungen gegenüber unseren Robotern geäußert, die sich in acht Bereiche einteilen lassen:

  1. Verletzungsgefahr: 73 % befürchten, dass Personen durch die Roboter oder damit verbundene Stürze verletzt werden könnten
  2. Funktionale Einschränkungen: 72 % äußerten Bedenken hinsichtlich Funktionalität und Fähigkeiten der Roboter, die zu Einschränkungen führen könnten, wie etwa, dass der Roboter sich nicht überall frei bewegen kann
  3. Stören/Beschädigen der Roboter („Robot Bullying“): 49 % sorgen sich, dass die Roboter durch Passant:innen beschädigt, gestört oder zweckentfremdet werden könnten
  4. Sicherheitslücken: 49 % befürchten Sicherheitslücken oder -probleme durch Mängel an Soft- und Hardware der Roboter
  5. Auslösen (negativer) Emotionen: 31 % gaben an, dass die Roboter Emotionen hervorrufen könnten, unter den am häufigsten genannten negativen Emotionen waren bspw. Angst und Erschrecken sowie Verwirrung
  6. Potenzielles Hindernis: 31 % sehen die Roboter als potenzielle physische Hindernisse im öffentlichen Raum
  7. Laufstärke: 13 % nannten eine zu geringe oder zu hohe Lautstärke der Roboter als Problem
  8. Infrastrukturelle Probleme: 7 % erwähnten mögliche infrastrukturelle Herausforderungen, wie bspw. Platzmangel der durch den Einsatz (zu) vieler Roboter entstehen könnten

Häufigkeit der befürchteten Konflikte und kritischen Situationen

Wie verhalten sich Passant:innen, wenn sie auf unsere Projekt-Roboter in der Sedelhöfe-Unterführung treffen?

Im Rahmen der Studie haben wir die Reaktionen der Passant:innen an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu ausgewählten Zeiten beobachtet und klassifiziert. Hierbei haben wir 6 Stunden Videomaterial aufgezeichnet, in denen 428 Personen eine Verhaltensanpassung aufgrund des Reinigungs- oder Kehrroboters gezeigt haben:

  1. Reaktive Verhaltensweisen (99 %):
    • Leicht oder stark Ausweichen
    • Wiederholt ausweichen
    • Stehen bleiben und (wiederholt) ausweichen
    • Wegrennen
    • (Beinahe) Zusammenstoßen
  2. Proaktive Verhaltensweisen (1 %):
    • Vor den Roboter stellen
    • Beim vor den Roboter halten
    • Roboter für längere Zeit inspizieren

Die meisten Passant:innen, die ihr Verhalten anpassten, wichen den Robotern leicht aus (70 %). In 24 % der Fälle mussten Personen ihr Laufverhalten mehrmals anpassen, etwa durch Anhalten und erneutes Ausweichen. Diese stärkeren Anpassungen traten besonders beim Kehrroboter auf und auf engem Raum, wie beispielsweise, wenn der Roboter nah an der Wand gefahren ist und so eine Engstelle entstand­­. Ein weiterer Grund für stärkere Verhaltensanpassungen war das Wenden des Roboters in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den Passant:innen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Kombination aus Interviewergebnissen und Videobeobachtungen offenbart, dass neben technischen Verbesserungen insbesondere räumliche Konflikte und das Zusammenstoßen mit den Robotern Herausforderungen für die Mensch-Roboter-Interaktion darstellen. Während einige Passant:innen sich den Robotern interessiert nähern, versucht die Mehrheit, sie zu umgehen und ihren Weg ungestört fortzusetzen. 

Diese ersten Ergebnisse helfen uns im Projekt ZEN-MRI, ein besseres Verständnis für die Interaktion zwischen Menschen und Robotern im öffentlichen Raum zu entwickeln und Faktoren für eine Verbesserung des Zusammenlebens zu identifizieren. Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung beinhalten:

  • Erhöhung der Vorhersehbarkeit des Roboterverhaltens, z. B. durch Kommunikation der geplanten Bewegungsrichtungen.
  • Aufmerksam machen auf den Roboter, besonders wenn Personen auf unmittelbarem Kollisionskurs sind.

Weitere Untersuchungen sind bereits im Herbst dieses Jahres geplant. Nehmen Sie an unserer kurzen Umfrage teil, um über zukünftige Studien mit den Robotern informiert und eingeladen zu werden: https://ww3.unipark.de/uc/zen-mri/

Besonderen Dank an Tobias Hekele, der die Auswertung im Rahmen seiner Bachelorarbeit im Bereich Human Factors an der Universität Ulm durchgeführt hat.