14.05.2024
Mit Geschichten zu Robotik forschen – der narrative Ansatz in ZEN-MRI
Geschichten können uns amüsieren, ängstigen und zum Lachen bringen. Neben ihrer unterhaltenden Funktion haben Geschichten für den Menschen aber auch einen existentiellen Sinn: sie legen den Grundstein für unsere Identität, indem wir von unseren Erfahrungen berichten und anderen von unseren Gefühlen und Wünschen erzählen. Am zen-mri-Teilprojekt am Institut für Digitale Ethik (IDE) wird daher mit verschiedenen Erzählansätzen gearbeitet, um zu erforschen, welche Werte den Menschen bei der Mensch-Roboter-Interaktion wichtig sind. Aus forschungspraktischer Sicht gibt es gute Gründe mit Geschichten zu arbeiten: Diese zeigen Bedeutungen und Ängste sowie Sinnstrukturen im Allgemeinen klarer auf als dies Beschreibungen oder Erklärungen leisten können. Sie geben eine Antwort auf die Frage, wie die Menschen leben wollen.
Welche Vorstellungen haben die Menschen also vom Zusammenleben mit Robotern? Worin bestehen ihre Sorgen und Hoffnungen und welche Werte sehen sie etwa als gefährdet an?
Um dies zu erforschen, wird am IDE u.a. mit sogenannten Zukunftsworkshops gearbeitet. Dabei entwickeln und erzählen Probanden fiktive, aber realistische Zukunftsgeschichten des Zusammenlebens mit Robotern. Die vielfältigen Geschichten handeln etwa davon, wie die Organisation des gesamten Haushalts selbstständig von KI-basierten Systemen und Robotern übernommen wird. In anderen Geschichten geht es darum, dass Roboter nah am Menschen operieren, und in der Pflege und im sozialen Miteinander zunehmend menschliche Funktionen, etwa die von Freunden oder (Ehe-)Partnern, übernehmen.
Eine Übersicht der ersten Ergebnisse kann hier abgerufen werden.
Die Ergebnisse verweisen auf eine allgemein hohe Bereitschaft zur Akzeptanz von Robotik im öffentlichen und privaten Raum. Überdies weisen die Ergebnisse auf ein tendenziell hohes Vertrauen in die konstruierte Sicherheit und rechtliche Konformität neuer Lösungen der befragten Personen hin. Der Nutzen liegt für die Erzähler:inn vor allem in einem Zugewinn an Komfort sowie in der Freisetzung von Zeit, die sie dann in der Freizeit produktiv nutzen können. Dabei haben sie aber auch das Gefühl, oft keinen Einfluss auf die Veränderung des sozialen Raums ausüben zu können. Viele Geschichten thematisieren zudem die Angst, die zunehmende Integration von Robotik im öffentlichen Raum könne zu einer Abwertung sozialer Beziehungen führen und den Individualisierungstrend weiter verstärken. Für die Zukunft der Entwicklung von Robotik relevant könnte daher die Frage sein, wie zukünftige Robotiklösungen neben Sicherheit und Transparenz auch eine Optimierung sozialer Räume und des Zusammenlebens bewirken können. Wie im Beitrag nachzulesen ist, braucht es von ethischer Seite eine Reflexion dessen, was den Menschen als kulturelles und gesellschaftliches Wesen aus- und einzigartig macht. Die am IDE entwickelten Fähigkeiten für eine digitale Wertekompetenz können hier zur Realisierung eines guten Lebens im digitalen Zeitalter beitragen.