04.06.2024

Die Videobeobachtung als Methode zur Erforschung der natürlichen Mensch-Roboter Interaktion im öffentlichen Raum

In ZEN-MRI beschäftigen wir uns nicht nur mit der Bewertung des Zusammenlebens von Menschen und Robotern im öffentlichen Raum, sondern auch mit der Entwicklung und Verbesserung von neutralen und unabhängigen Forschungsmethoden. In der Psychologie stehen uns dafür verschiedene Werkzeuge zur Verfügung. Wir können Personen befragen (Umfragen oder Fragebögen verwenden), sie zu Fokusgruppen oder Workshops einladen oder ihre physiologischen Reaktionen messen (z. B. Herzfrequenz oder Gesichtsausdrücke).

Eine weitere Methode besteht darin, Personen von außen zu beobachten, wenn sie mit Robotern interagieren, und wie sie auf diese reagieren. Diese Beobachtungsmethode kann durch den Einsatz von Videokameras erweitert werden, um das komplexe Zusammenspiel zwischen Menschen und Robotern wiederholt zu betrachten und eingehend zu analysieren.

Was ist Videobeobachtung?

Die Videobeobachtung ist eine etablierte Forschungsmethode, die es ermöglicht, das Verhalten von Menschen anhand von Videoaufnahmen zu beobachten und zu analysieren. In der Forschung zur Mensch-Roboter Interaktion wird diese Methode in vielfältiger Weise eingesetzt, um Muster, Verhaltensweisen und Reaktionen aufzuzeichnen und zu verstehen.

  • Identifizierung von Verhaltensmustern: Durch die Analyse von Videoaufnahmen können Forscher:innen Verhaltensmuster wie Ausweichbewegungen, Blickverhalten und Interaktionsversuche identifizieren, die Aufschluss über die Reaktionen auf Roboter geben. Außerdem können emotionale Reaktionen bewertet werden, die Rückschlüsse auf die Nutzerakzeptanz geben.
 
  • Bewertung von Designs: Die Videobeobachtung ermöglicht es, die Auswirkungen verschiedener Roboterdesigns auf das Verhalten und die Reaktionen der Nutzenden zu bewerten und so die Gestaltung zukünftiger Roboter zu verbessern.
 
  • Sicherheitsbewertungen: Durch die Beobachtung von Interaktionen können potentielle Sicherheitsrisiken identifiziert und Maßnahmen zur Risikominderung entwickelt werden. Ein wichtiger Fokus im ZEN-MRI Projekt ist die Identifikation und Prävention von Konfliktsituationen zwischen Menschen und Robotern im öffentlichen Raum.
 

Vorteile der Videobeobachtung gegenüber anderen Methoden:

  • Nicht-invasiv: Die Methode stört das natürliche Verhalten der Teilnehmer:innen nicht und ermöglicht eine authentische Erfassung von Reaktionen. Zudem müssen Personen nicht zwingend eingeladen werden, sondern sämtliche Zusammentreffen mit dem Roboter können in die Auswertung mit einfließen. So kann eine hohe Anzahl an diversen Personen und Gruppen beobachtet und in der Verbesserung der Roboter-Designs berücksichtigt werden.
 
  • Skalierbarkeit: Die Videobeobachtung kann in verschiedenen Umgebungen angewendet werden und ist daher äußerst flexibel.
 
  • Detaillierte Analyse: Durch die Möglichkeit, Aufnahmen wiederholt zu betrachten und zu analysieren, können Forscher:innen feine Details der Interaktionen untersuchen und verstehen.
 
 

Herausforderungen und ethische Überlegungen:

Trotz ihrer Vorteile birgt die Videobeobachtung auch Herausforderungen und ethische Überlegungen, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre. Forscher:innen müssen sicherstellen, dass Personen über die Aufzeichnung und über ihre Rechte informiert werden, und dass die Aufzeichnungen wo möglich anonymisiert werden. Außerdem sind eine sichere Speicherung sowie eingeschränkter Zugang und Nutzung der Videodaten unerlässlich. In ZEN-MRI haben wir mit dem Institut für digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien Stuttgart einen kompetenten Partner im Konsortium, der die Einhaltung dieser Vorgaben begleitet. Hierfür haben wir bei vergangenen Videobeobachtungen sichergestellt, dass Passant:innen in Ulm die Möglichkeit haben, alternative Routen zu nehmen, wenn sie nicht aufgezeichnet werden wollen. Außerdem haben wir umfangreiche Informationsunterlagen ausgelegt und online zur Verfügung gestellt, die über Datenschutzrechte aufklären. Als weitere Datenschutzmaßnahmen haben wir ein Speicher- und Löschkonzept erarbeitet, sowie die Verschlüsselung und Zugangsbeschränkungen für die Videodaten festgelegt.

 

Die Auswertung von Videodaten stellt uns ebenfalls vor einige Herausforderungen, insbesondere weil die Interpretation von Verhaltensweisen stark von der bewertenden Person abhängt und somit Einschränkungen in der Objektivität aufweisen kann. Um diese Herausforderung anzugehen, kooperieren wir eng mit dem Institut für Medieninformatik, um Möglichkeiten und Potenziale von Computer Vision und KI-Technologien für eine objektivere Analyse zu erforschen. Des Weiteren ist zu beachten, dass Forschung im Feld generell weniger standardisiert ist, was die Vergleichbarkeit und Generalisierbarkeit von Ergebnissen beeinträchtigen kann.

Fazit:

Die Videobeobachtung ist eine äußerst wertvolle Methode zur Erforschung der Mensch-Roboter Interaktion im öffentlichen Raum. Durch die detaillierte Analyse von Verhaltensmustern und Interaktionsdynamiken trägt sie dazu bei, das Design, die Sicherheit und die Benutzerakzeptanz von Robotern zu verbessern und die Entwicklung dieser Technologien voranzutreiben.

Ausblick:

Im ZEN-MRI haben wir bereits zwei Videobeobachtungen durchgeführt. Erste Erkenntnisse aus den mehr als 10 Stunden an Daten und aufgezeichneten Interaktionen werden in einem kommenden Beitrag geteilt. Weitere Videobeobachtungen sowie Auswertungen und Publikationen zu den Videodaten sind geplant. Hierbei beschäftigen wir uns unter anderem mit folgenden Fragestellungen:

  • Inwieweit können Computer Vision und künstliche Intelligenz zur Anonymisierung von Personen in Videodaten effektiv eingesetzt werden? Wie kann die Vorselektion von relevanten Interaktionsereignissen in Videodaten optimiert werden? Und welche Potentiale ergeben sich in der automatisierten Auswertung von Verhaltensmustern und Interaktionen in großen Menschen von Videodaten?
 
  • Welche Vorteile bietet die Lidartechnologie im Vergleich zur Videobeobachtung bei der Erfassung von Bewegungsverhalten von Passant:innen im öffentlichen Raum mit Robotern?
 
  • Wie kann die Vergleichbarkeit und Generalisierbarkeit von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen Beobachtungsstudien zur Mensch-Roboter Interaktion verbessert werden? Welche Kriterien und Kategorien sollten in einem Klassifikationssystem für die Strukturierung von Videodaten aus unterschiedlichen Umgebungen und Kontexten mit Robotern berücksichtigt werden?